Unterhaltsberechtigten trifft Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung

Für den Unterhaltsberechtigten besteht grundsätzlich die Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Eine Verletzung dieser Obliegenheit kann zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen Leistungen führen.

Die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist schon dann insgesamt ausgeschlossen, wenn bei einer Mehrzahl von unterhaltspflichtigen Kindern des Leistungsberechtigten nur eines der Kinder über steuerliche Gesamteinkünfte in Höhe von 100.000 Euro oder mehr verfügt.

Erhält der Unterhaltsberechtigte aus diesem Grund nachrangige Hilfe zum Lebensunterhalt und haften mehrere unterhaltspflichtige Kinder anteilig für den Elternunterhalt, stellt der gesetzliche Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger für ein privilegiertes Kind mit einem unter 100.000 Euro liegenden steuerlichen Gesamteinkommen eine unbillige Härte dar, wenn und soweit dieses Kind den unterhaltsberechtigten Elternteil nur wegen des Vorhandenseins nicht privilegierter Geschwister nicht auf die bedarfsdeckende Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen verweisen kann.

In diesem Fall kann das privilegierte Kind der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs durch den unterhaltsberechtigten Elternteil den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenhalten, und zwar sowohl wegen vergangener als auch wegen zukünftiger Unterhaltszeiträume.
 
Bundesgerichtshof, Urteil BGH XII ZB 56 14 vom 08.07.2015
Normen: SGB XII §§ 43 Abs. 3, 94 BGB §§ 1602, 1606 Abs. 3 S. 1
[bns]